Spätholozäne Besiedlungs- und Vegetationsgeschichte im Sahel von Burkina Faso

Das Pollenprofil von Oursi

Ausgangspunkt für die Arbeiten des SFB 268 im Sahel Burkina Fasos war das Pollenprofil von Oursi, das für die Zeit ab ca. 1000 v. Chr. auf den Beginn des Bodenbaus in dieser Region hinzuweisen schien. In den 1990er Jahren fanden umfangreiche Ausgrabungen endsteinzeitlicher Dünenfundplätze und eisenzeitlicher Siedlungshügel statt. Dabei zeigte es sich, dass die Besiedlungsgeschichte einen ganz anderen Verlauf genommen hatte: Aus dem zweiten Jahrtausend v. Chr. stammen Hinweise einer Besiedlung der Region durch Jäger und Sammler. Belege für die Nutzung von Kulturpflanzen liegen erst vom Ende jenes Jahrtausends vor. Nach einer Fundlücke im 1. vorchristlichen Jahrtausend treten sesshafte Gemeinschaften mit produktiver Wirtschaft, sozialer Differenzierung und entwickeltem Fernhandel erst nach der Zeitenwende auf. Diese Besiedlungsumbrüche zeigen sich jedoch nicht im Pollenprofil, was zu einer Re-Interpretation des Profils führte. Die palynologisch belegten Veränderungen um 1000 v. Chr. sind wahrscheinlich auf zunehmende Trockenheit und die Verlandung des Sees zurückzuführen.

Endsteinzeit

Gegen Ende des zweiten vorchristlichen Jahrtausends zeigt die Lebensweise der nomadisierenden Wildbeuter auch Merkmale nahrungsproduzierender Gesellschaften. Der Großteil der Nahrung stammte nach wie vor von der Jagd, dem Fischfang und dem Sammeln von Wildfrüchten, aber auch die domestizierte Perlhirse (Pennisetum glaucum) gehörte zum Nahrungsspektrum. Möglicherweise betrieben die Menschen auch Viehzucht, jedoch fehlen dafür die direkten Belege. Die Siedlungsplätze wurden, vermutlich saisonal, immer wieder bewohnt. Der Einfluss der endsteinzeitlichen Bevölkerung auf die Landschaft war sehr begrenzt.

Gegen Ende des zweiten Jahrtausends v. Chr. führten geringere Niederschläge und längere Trockenzeiten dazu, dass die Seen im Norden von Burkina Faso, die vorher das ganze Jahr über Wasser geführt hatten, saisonal weitflächig austrockneten. Möglicherweise konnten nur kleine, mobile Gruppen mit diesen veränderten Umweltbedingungen zurechtkommen, denn aus dem ersten Jahrtausend v. Chr. gibt es fast keine archäologische Spuren menschlicher Besiedlung.

Eisenzeit

Ab der Zeitenwende folgt mit der Eisenzeit eine neue, nun sesshafte Kultur. Zahlreiche Siedlungshügel enthalten Keramikscherben, Eisenobjekte, Steingeräte, Schmuck, verkohlte Früchte und Samen sowie Holzkohle. Sie lieferten die Informationen zur Siedlungs- und Umweltgeschichte der Region. Nach Form und Verzierung der Keramik lässt sich die Eisenzeit in drei Phasen gliedern. Zunächst zeigt die Keramik typischerweise Riefen an der Randpartie und Ritzverzierungen auf dem Gefäßkörper. Mit dem polierten Kammstich beginnt die mittlere Eisenzeit etwa ab 500 n. Chr. Ab dem 11. Jahrhundert n. Chr. kommen u.a. die Gefäßformen Flasche mit Deckel, Siebgefäß und Dreibeingefäß hinzu. Sie kennzeichnen die späte Eisenzeit.

Während der Eisenzeit ernährte der Bodenbau die Bevölkerung der Region. Verschiedene Kulturpflanzen – Perlhirse (Pennisetum glaucum), Hülsenfrüchte und Roselle (Hibiscus sabdariffa) – wurden in Mischkultur angebaut, und stellten die Grundversorgung sicher. Nutzbäume in den Feldern blieben von der Rodung ausgespart und ergänzten mit ihren Früchten und Blättern das Nahrungsangebot. Zudem wurden Schafe, Ziegen und Rinder gehalten. Unter der intensiveren Nutzung entstand eine Kulturlandschaft: Felder und Brachen mit Nutzbäumen und stockausschlagfähigen Gehölzen ersetzten in der Umgebung der Siedlungen die natürliche Vegetation auf den Dünen. In der mittleren und späten Phase der Eisenzeit nahm die Viehhaltung zu und veränderte die Vegetation der siedlungsnahen Bereiche weiter.

Zahlreiche Informationen zur Gesellschaft der damals dort ansässigen Menschen lieferten vor allem die Ausgrabungen in den Friedhöfen von Kissi, die im Wesentlichen die Zeit zwischen dem 1. und 7. Jh. n. Chr. umfassen. Die Beigaben der recht unterschiedlich ausgestatteten Gräber deuten daraufhin, dass es sich wahrscheinlich um eine hierarchische Gesellschaftsform handelte, in der Krieger einen hohen Rang einnahmen.


Handelskontakte

Ab dem 4. Jahrhundert AD vermehren sich die Hinweise auf weit reichende Handelskontakte - nicht nur innerhalb der Region, sondern auch zwischen verschiedenen westafrikanischen Gebieten. Möglicherweise bestanden sogar Fernhandelskontakte bis in den asiatischen Raum hinein. Eingeführt wurden unter anderem Steinperlen aus der Sahara, Glas- und Karneolperlen aus dem Mittleren Osten und Kaurischnecken aus dem Indischen Ozean. Wertvolle Schmuckobjekte aus Messing und Bronze verweisen auf Kontakte mit Nordafrika. Auch Sorghum-Hirse und Wassermelonen gelangten vermutlich zunächst durch Handelskontakte in den Norden von Burkina Faso; erst später wurden sie auch hier angebaut.

Nach dem 14. Jahrhundert wurden die Sieldungshügel verlassen. Politische Umwälzungen in den Reichen des Nigerbogens könnten eine Ursache gewesen sein, klimatische Veränderungen eine weitere. Während der Siedlungshügelperiode selbst scheint das Klima hingegen relativ stabil gewesen zu sein.

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Publikationen

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Dissertationen

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Magnavita, S. (2006): 1500 Jahre am Mare de Kissi. Eine Fallstudie zur Besiedlungsgeschichte im Sahel von Burkina Faso. Doktorarbeit. Goethe-Universität, Frankfurt am Main.

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Diplomarbeiten/Magisterarbeiten

Diethelm, B. (2002): Topfbestattungen der Sudan-Zone Westfarikas. Magisterarbeit.

Höhn, A. (1997): Vergleichende Untersuchungen der Holzstruktur ausgewählter Mimosoideae und Caesalpinioideae (Leguminosae) Westafrikas. Diplomarbeit.

Kahlheber, S. (1995): Vergleichende anatomische und morphologische Untersuchungen ausgewählter Paniceenfrüchte. Diplomarbeit.

Kühltrunk, P. (2000): Typologische und taphonomische Keramikanalyse des steinzeitlichen Fundplatzes Tin-Akoff im Norden Burkina Fasos. Magisterarbeit.

Magnavita, S. (1999): Die eisenzeitliche Nekropole von Kissi, Prov. Oudalan, Burkina Faso. Magisterarbeit.

Morczinek, I. (1995): Diatomeen aus dem Mare d’Oursi – Ein Beitrag zur holozänen Paläoökologie des westafrikanischen Sahel. Diplomarbeit.

Uebel, D. (1996): Die Holzkohlen von Saouga (Burkina Faso) – Ein Beitrag zur Vegetationsgeschichte Westafrikas. Diplomarbeit.

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